Katharsis
Herr Klein, von Gefühlen ganz zerpflückt,
da Sehnsucht ihm das Herz zerdrückt,
greift unversehens aus dem Schrank
ein bluesmusikbespieltes Band,
um zu schmachten bei dem Klange
und um sich seiner Herzensbange
nach ersehnter Reinigung
vollständig zu entledigen.
Jedoch, was merkt er allzu deutlich?
Die Töne stimmen nur unleidlich
und unbarmherzig, welches Leid,
vertieft sich die Schwermütigkeit.
Er sollte, wollte er gesunden,
und balsamieren seine Wunden
doch eher Rockmusik genießen,
die lässt ihn weniger verdrießen.
1998
Freundschaftsgespräche
Herr Klein sitzt tatenlos herum
auch seine Schreibarbeit steht stumm.
Er weiß nicht recht, was er könnt’ tun,
ist gegen Trägheit nicht immun.
Auch ärgert er sich in den Boden,
fühlt von der Freundschaft sich betrogen:
er kann flattieren so viel er will
das Telefon steht dennoch still.
Herr Klein erkennt: So geht’s nicht weiter
und ohne langes Zögern greift er
unvermittelt zu dem Hörer,
auf dass der gute Freund nicht eher
Eiligeres zu tun hätte,
an dessen statt sich mit ihm treffe -
denn oft hat man bei Freundes Leid
grad dummerweise keine Zeit.
Der Ton verstummt, es meldet sich
Kommiliton‘ und Freund Friedrich.
Er freut sich sehr, von ihm zu hör’n,
doch würd’ er gerade etwas stör’n,
denn wie vernehmbar hintergründig
hat Damenbesuch sich angekündigt.
Herr Klein empfiehlt sich somit zeitig,
versucht es schließlich anderweitig.
Der Klaus sei derzeit - mit Verlaub -
im wohlverdienten Herbsturlaub.
Auch Ralf hat grade was zu schaffen;
man sollte ihn in Ruhe lassen.
Er lernt aufgrund der Stellentilgung
für einen Kurs zur Weiterbildung.
Der Frank, vor Freude ganz verstört,
meint: Klein! So lange nichts gehört...!
Doch leider habe er soeben
vor den Bildschirm sich begeben.
Denn der Börsenstand in Griechenland
ist für ihn hochinteressant.
Nach stundenlangem Telefonieren
und freundlichem Herumpoussieren,
hat Herr Klein die Schnauze voll
und weiß: er fühlt sich doch nur wohl,
wenn er allein zu Hause bleibt
in stiller Selbstgenügsamkeit.
1998
Herr Klein, lang des Gefühls beraubt,
dass forsch und souverän sich glaubt,
fasst jäh den übereilten Schluss,
dass mancherlei sich ändern muss.
So schreibt er sich `ne lange List‘:
was am Gemüt zu bessern ist:
Da wären erstens Zuversicht,
die unerwünschte Zweifel bricht.
Zweitens Mut zur lauten Stimme
und zu agieren mit wachem Sinne.
Auch gehört der Stolz dazu
zur Abrundung der Seelenruh’.
Als letzten Punkt lässt er sich offen -
- falls vergeblich alles Hoffen -,
dass letztlich hilft die Kraft im Weine
dem Selbstbewusstsein auf die Beine.
Herr Klein entwirft ‘ne Strategie
zur Durchführung, doch fragt sich wie
und wo er nun beginnen soll.
Gleich jetzt! beschließt er würdevoll.
Doch ungeliebt und ungeahnt
das Schicksal seine Wege bahnt:
Sein Schritt gerät, jetzt fest und schnelle,
an eines Haufens Unrat Stelle.
Und das, als er grad grüßen wollte
des Pfarrers Sohn mit lautem Worte,
doch der, gehässig und blasiert,
die Sache spottend kommentiert.
Herr Klein, vom Schicksal eingeschüchtert
und von der Wirklichkeit ernüchtert,
zieht stark errötend sich zurück
und setzt auf spät’res Lebensglück.
2001
Der Besuch
Herr Klein, der heut’ Besuch erwartet,
hat schon Bemühungen gestartet,
um sein Reich zu präparieren,
auf dass er sich nicht müsst’ genieren.
So hat er Schränke frisch entstaubt
und auch den Boden abgesaugt,
das Badezimmer blank geputzt,
die Blumenstöcke nachgestutzt,
sogar den Müll vors Haus entsorgt
und süße Stückchen schnell besorgt.
Es glänzen selbst im Wasserglas
die Goldfische im Übermaß.
Nun sitzt der Herr Klein erschöpft und müde
auf einem seiner saub’ren Stühle
und fühlt in all’ der Reinlichkeit
kein Ding mehr zum Gebrauch bereit.
Der Raum erstarrt museumsgleich,
doch besuchsbereit ist nun sein Reich.
Herr Klein, er sitzt und wartet still –
der Gast jedoch nicht kommen will.
Nach ein, zwei Stunden stummem Warten
platzt des ruhigen Kleines Kragen
und schon sind Kuchen, Couch und Klo,
die Tageszeitung ebenso,
eingespannt für seine Pläne –
und wo gehobelt, fallen Späne.
Die Hobelspäne fliegen weit
und eh’ Herr Klein es gleich bereut
ist seine alte Lebenswelt
von Grund auf wieder hergestellt.
Zufrieden legt im Durcheinander
er die Beine übereinander.
Da klingelt’s plötzlich – welch ein Schrecken –
der Gast!, den hatt’ er schon vergessen.
Doch dieser lobt, wahrhaft erfreut,
die chaotische Gemütlichkeit.
2004
Fortschritt
Denk’ ich an die Schule in der Nacht,
der treu ich meinen Dienst erbracht,
so stell’ ich dann, ich armer Tor,
’nen sittlich edlen Ort mir vor.
Doch all dies ist nur Schall und Rauch,
denn leider ist’s nicht Norm noch Brauch,
dass man mit Geistesstärke tut
Wunder auch mit Bildungsgut.
Stattdessen wird geklagt, gepennt.
Noch eh der Weltgeist sich verrennt
fliegt mit einem feigen Wort
die ganze hohe Bildung fort.
Ich weiß, was das bedeuten soll:
Der Lehr’ ich null Respekt mehr zoll.
So spannt meine Seele die Flügel aus
und macht das Beste draus.
2006